Ferdinand von Richthofen
Handel und Mission, so weit auch ihre Motive auseinanderliegen und ihre Zwecke divergieren, gehen häufig eng zusammen. Der Welthandel sucht die großen Wege zur See und zu Lande auf: die Politik ebnet ihm die Pfade und öffnet ihm die Pforten der Länder, in denen sich eine Gelegenheit zu seiner Entfaltung bietet; die Mission folgt ihm auf dem Fuß. Während sich aber jener an einzelne bestimmte, durch die Natur begünstigte Plätze hält, dringt diese in das Innere der Länder und entgilt dem Handel was sie von ihm empfing, indem sie ihm die Ausbreitung von seinen Sitzen aus erleichtert. Der Kaufmann macht uns mit den nutzbaren Produkten der Länder bekannt; der Missionar, wenn er seinen Beruf nicht zu eng fasst, erforscht den Charakter des Volkes, seine Sitten und religiösen Gebräuche. Indem er die Sprache des Landes lernt, erhält er die Gelegenheit, dessen Literatur, Geschichte, Wissenschaften und Regierungsformen zu studieren, und auf seinen Wanderungen ist ihm Gelegenheit geboten, sich mit der Geographie desselben vertraut zu machen. In keinem Land haben die christlichen Missionare diese über ihren Beruf hinausgehenden Aufgaben in größerem Maße erfüllt, in keinem sich ein weiteres Gesichtsfeld geschaffen und der Wissenschaft größeren Gewinn gebracht, als in China. Vor allem sind es die Jesuiten des 17ten und 18ten Jahrhunderts, ohne deren umfassende und gründliche Tätigkeit China heute noch, mit Ausnahme der Küste, eine terra incognita sein würde, während im gegenwärtigen Jahrhundert die katholischen Missionare die Art der Tätigkeit fast gänzlich eingestellt, und die protestantischen sie, wenn auch bisher in weniger intensiver und sehr veränderter Weise, übernommen haben. Die Übersicht der diplomatischen und Handelsbeziehungen des Westens mit China seit Entdeckung des Seeweges hat uns gezeigt, dass durch diese Agenden nur spärliche und unvollkommene geographische Kenntnisse in bezug auf China nach Europa gekommen sind; die Geschichte der Missionen dagegen gibt uns eine fortlaufende Entwicklung derselben. Sind auch nur einzelne hervorragende Männer die Träger dieses Fortschrittes gewesen, so ist es doch nicht möglich, deren Tätigkeit für sich abgesondert zu verstehen, und ich stelle daher der Übersicht ihrer wissenschaftlichen Leistungen einen kurzen Abriss der Geschichte der katholischen Missionen voran. Dieselbe ist nicht nur einer der wichtigsten Abschnitte in der Geschichte des Verkehrs mit China überhaupt; ein Einblick in sie ist auch erforderlich, um zu verstehen, weshalb die glänzende Tätigkeit der Jesuiten nicht noch mehr Früchte getragen hat.
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