In ihren Memoiren schreibt sie:
Im Jahre 1893 hatten wir keinem Friedenskongresse beigewohnt. Seit ich von dieser Bewegung mitgerissen wurde, zähle ich die Etappen meiner Lebenserinnerungen zumeist nach Kongressreisen. Denn diese brachten immer wieder sichtbare Zeichen von dem Fortgang der mir so sehr am Herzen liegenden Sache und die Möglichkeit, tätig daran mitzuhelfen; sie brachten die Berührung mit den alten Freunden und Anknüpfung neuer Freundschaften; schließlich brachten sie uns an neue Orte in noch ungekannte Milieus und verschafften uns jenen Genuss, den der Meine über alles schlürfte - das Reisen an sich. Miteinander in einen Wagen zu steigen und - hinaus! - das war uns ein unbeschreibliches Festgefühl.
Der diesjährige Kongress wurde in Chikago abgehalten, anlässlich der dort stattfindenden Weltausstellung, »the world's fair« betitelt. Unsere Mittel reichten zu der weiten Reise nicht, und wir verzichteten. Mit dem Amt, mich beim Kongress zu vertreten, betraute ich meine Freundin Malaria - Frau Olga Wisinger, die berühmte Malerin. Sie war auch in der österreichischen Abordnung mit uns in Rom gewesen und eine begeisterte Anhängerin unserer Sache; also war die Mission in guten Händen.
Der Name »Malaria« ist nur ein Spitzname und bezieht sich nicht etwa auf fiebertreibende Eigenschaften der großen Künstlerin; sein Ursprung war dieser: In Rom mussten alle Teilnehmer Namen und Charakter eintragen, damit eine Präsenzliste gedruckt und verteilt werde. Da stand nun unter der österreichischen Gruppe zu lesen: Signora Olga Wisinger, Malaria; so hatten die Italiener das Wort »Malerin« entziffert.
Während »the world's fair« wurden in Chikago unzählige Kongresse abgehalten, darunter auch der Kongress der Religionen.
Alle großen Kirchengemeinschaften der Erde hatte einen geistlichen Würdenträger dahin entsendet. Wohl auch zum erstenmal, dass die Verkünder verschiedener Glaubensbekenntnisse zusammentraten - nicht um einander zu bekehren oder zu bekämpfen, sondern um die Grundsätze hervorzukehren, die ihnen allen gemeinsam sind. Und christliche Bischöfe, mosaische Rabbiner, buddhistische und mohammedanische Priester fanden sich in dem Grundsatz geeinigt: Gott ist der Vater aller - also seien alle Brüder. Es war somit auch ein Friedensgrundsatz, der sich aus diesem Kongress der Religionen ergeben hat.
Der eigentliche Friedenskongress, der vom 14. bis 19. August in »The Memorial Washington Hall, Art Palace« (Regierungsdepartement der Columbischen Ausstellung) tagte, wurde von Josiah Quincy, »Assistent Secretary of State«, präsidiert.
Unter den Teilnehmern und Rednern befand sich Thomas Bryan, derselbe, der im Jahre 1904 als Gegenkandidat Roosevelts um die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten auftrat und vielleicht bei einer nächsten Präsidentenwahl den Sieg erringen wird.
An diesem Kongresse nahmen auch Abgesandte aus Afrika und aus China teil. Die Europäer waren nur schwach vertreten. Die Fahrt über den großen Teich, der für Amerikaner »a trip« heißt, schreckt die Bewohner unseres Erdteils doch noch sehr zurück. Von Deutschland war Dr. Adolf Richter gekommen, Dr. Darby aus England; Moneta aus Italien und aus Österreich - Malaria.
Die Amerikaner waren natürlich zahlreich und durch hervorragende Männer - Gelehrte, Richter, Staatsmänner - vertreten. Auch ein Soldat, General Charles Howard, hielt einen Vortrag über das internationale Tribunal. Eine kirchliche Spezialkonferenz schloss sich an mit Bezug auf die geplante Petition der verschiedenen christlichen Körperschaften der Welt an die Regierungen zugunsten des Schiedsgerichts. Dieser Plan wurde ausgeführt und die Petition, die von etwa hundert kirchlichen Würdenträgern aller Länder gezeichnet war, wurde in der Folge sämtlichen Staatsoberhäuptern unterbreitet. Mit der Aufgabe, das für den Kaiser von Österreich bestimmte Exemplar zu überreichen, bin ich betraut worden.
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