Konfuzianismus
(rujia)
Liangzhu Bi nach einem
Foto von Ayelie
Im ersten Jahrtausend v. Chr. führten eine Reihe von technischen
Neuerungen, darunter die Verbreitung von Eisen, zu höherer Produktivität der
Landwirtschaft und Bevölkerungswachstum. Gleichzeitig erlaubten sie eine
wirksamere Kriegsführung. Reichtum und Macht der Fürsten wuchsen und sie
kämpften gegeneinander um noch mehr.
Der Zhou-König verlor an Bedeutung und war schließlich nur noch
nomineller Herrscher. Es wird berichtet, dass er zur Unterhaltung seiner neuen
Konkubine mehrfach Signalfeuer anzünden haben lassen. Wenn die Vasallen zur
Hilfe eilten und außer Atem herankamen, lachte er über sie. Als dann der
Feind wirklich angriff, kam niemand zur Verteidigung. Der König und seine
Konkubine wurden getötet, die Hauptstadt erobert. Sie musste nach 770 v. Chr.
Osten verlegt werden. Dies markiert den Beginn der Östlichen Zhou-Dynastie.
Die Fürsten kämpften gegeneinander um den Titel des Hegemonen, unter
dessen Schutz die Zhou-Könige standen. Wahrscheinlich wurde dem
Hegemonen-Regime im Nachhinein höhere Bedeutung verliehen, um historische
Führungslegitimation des einen oder anderen Staates zu produzieren.
Die Eckpfeiler der konfuzianischen Lehre entstanden unter diesen
historischen Voraussetzungen.
- Traditionalismus: In Lu, dem Geburtsstaat von Konfuzius, war die
Tradition der Zhou relativ ungebrochen überliefert. Konfuzius empfahl
inmitten des "allgemeinen Niedergangs" die Rückkehr zur
Tradition einer besseren Zeit mit ihren Haltungen, Sitten und Riten. Die
"Liebe zum Altertum" ist einer seiner markantesten Züge. Er
wird daher oft als "konservativ" bezeichnet. Dies trifft aber
eher auf die politisch mächtigen Konfuzianer späterer Zeiten zu,
während der Gründer inmitten seiner kriegsdurchwirkten Zeit eher wie ein
radikaler Utopist anmutet.
- Kulturalismus, Lernen, Selbstverbesserung: Ist es nicht eine
Freude, zu lernen und sich stets zu verbessern? Zum Lernen ist es nie zu
spät. Konfuzius lebte dies mit Ausdauer und Innigkeit vor.
Nur wer sich selbst in Ordnung bringt, kann das Reich regieren. Dem
Tugendhaften überträgt der Himmel das Herrschaftsmandat, dem
Verwahrlosten entzieht er es. Äußere Anzeichen des sittlichen Verfalls
einer Dynastie sind Aufstände im Inneren und Angriffe der äußeren
Feinde.
- 5 Grundbeziehungen: Fürst zu Untergebenem, Vater zu Sohn,
älterer Bruder zu jüngerem Bruder, Mann zu Frau, Freund zu Freund. Sie
müssen in Ordnung kommen.
- ren (Menschlichkeit, Nächstenliebe): Wer rücksichts- und
liebevoll zu seinen Mitmenschen ist, wird sich in seinen Beziehungen
richtig verhalten.
- li: Für jede Stellung im Leben gibt es eine ideale
Verhaltensweise. Der Kaiser soll seinen Untertanen als Vorbild dienen,
ebenso der Vater seinem Sohn. Umgekehrt sollen Untertanen den Kaiser und
Söhne den Vater achten und ihm gehorchen. Der Mann soll als
Haushaltsvorstand die Ehre der Familie und die Erinnerung an die Ahnen
pflegen. Die Frau soll Söhne gebären, die die Familientradition
fortsetzen. Der jüngere Bruder soll den älteren, der einmal
Haushaltsvorstand sein wird, respektieren.
- xiao (Kindesliebe, Gehorsam): Kennzeichnet das Verhalten
gegenüber Vater und Fürst. Achtung vor Höhergestellten und Älteren war
eine zentrale und sehr konkrete Anforderung der chinesischen Gesellschaft.
Sie ging in den Wirren nach dem Sturz des Kaiserreichs 1911 unter und
ließ eine Generation, die ihr eigenes Leben unter Opfern ganz nach dem
Willen der Eltern gerichtet hatte und nun bei den Jüngeren keine Achtung
fand, verbittern.
- Berichtigung der Namen ist eine Voraussetzung für eine gesunde
Gesellschaft. In Zeiten des Umbruchs wie der Westlichen Zhou-Zeit, in
welchen die Begriffe leer werden, weil sie nicht mehr zur Welt passen,
wird sie umso dringlicher. Das gilt auch für die Gegenwart in hohem
Maße. Begriffe stehen für idealtypische Inhalte bzw. Zielvorstellungen
und bedingen damit verbundene Pflichten.
- Pazifismus: Krieg bringt Unheil. Man solle Zurückhaltung üben
und mit den Nachbarn in Frieden leben. Diese Haltung teilten auch die
meisten anderen Schulen der Epoche und sie dominierte die spätere
chinesische Geschichte. Man leistete lieber Tribut an militärisch
überlegene "Barbaren", und sei es auch nur, weil dies
vermutlich billiger war als Kriege. Die Zivilbeamten (wen) dominierten
über die Militärbeamten (wu).
- Agnostizismus: Konfuzius befasste sich vor allem mit den
Beziehungen zwischen den Menschen und den gesellschaftlichen Vorgängen.
Vom Jenseitigen, seinen Göttern und Geistern, wusste er nichts.
Das meist gelesene Werk des Konfuzianismus sind die Analekten (Lunyu),
in welchen Konfuzius-Schüler dessen Aussprüche und Gespräche festgehalten
haben.
Denker: Konfuzius, Menzius, Xunzi.