Jerolim von Benko, 1892
Zu den Gefahren des Aufenthaltes in Shanghai zählt nun allerdings auch das
Klima dieses Ortes, welches sich wohl gegen frühere Zeiten nicht gebessert hat,
aber dessen schädlichen Einwirkungen durch alle Mittel der Kunst und
Wissenschaft mit entsprechendem Erfolge entgegengearbeitet wird. Im Dezennium
1875-1885 variierte die Sterblichkeit unter den Fremden, die Bemannungen der
Schiffe eingerechnet, von 18.6‰ im Jahre 1875 bis 35.6‰ im Jahre 1883. Im
Jahre 1885 betrug das Verhältnis 20.24‰. Die Cholera, welche wohl so ziemlich
alljährlich vereinzelte Opfer fordert, soll nach den vorliegenden Erfahrungen
in Shanghai viel häufiger au Bord von Schiffen, als am Lande zum Ausbruche
kommen. Die Zahl von 25 Todesfällen an dieser asiatischen Seuche im Jahre 1885,
worunter 8 von ansässigen Fremden, wird übrigens als die Maximalzahl für den
angeführten Zeitraum angegeben. Zum wachsenden Prozentsatz der Mortalität in
den letzten Jahren trägt übrigens unzweifelhaft der rasch zunehmende
Prozentsatz der unter den Fremden jetzt vorhandenen Frauen und Kinder das
Seinige bei. Wenn die Mortalitätsstatistik auf die in Shanghai lebenden Fremden
allein, mit Ausschluss der Schiffsbemannungen, gestützt wird, so ergeben sich
Permillequoten der Sterblichkeit, welche, nach dem Urteile des Sanitätsrates
der Shanghaier englisch-amerikanischen Niederlassung, mit jenen der großen
europäischen Städte auf gleichem Niveau stehen. Der Sanitätsrapport für das
Jahr 1885 z. B. konstatierte, dass von den 57 registrierten Todesfällen unter
den ansässigen Fremden nur 9 Fälle irgendwie auf eigentlich klimatische
Ursachen zurückgeführt werden konnten. Das Klima Shanghais darf, trotz der
Nähe des Meeres, als ein exzessives angesehen werden; obwohl im Winter das
Quecksilber selten unter -4° C. sinkt, so machen doch die um diese Jahreszeit
herrschenden starken NO-Winde die Kälte besonders empfindlich;
Sommertemperaturen bis 38°, bei kontinuierlicher Nässe und allen
Insektenplagen, welche die Flussniederung mit sich bringt, wirken erschlaffend
und aufregend zugleich, und machen den erschöpften Körper für die
verschiedensten Krankheiten empfänglich. Die Mittelzahlen - denen wir nur
ungern irgend einen Wert zugestehen, soweit es sich um die Erträglichkeit eines
Klimas handelt - ergeben in einer achtjährigen Beobachtungsreihe 18.2 als
Jahresmittel, nämlich 10.5° für den Frühling, 25.6° für den Sommer und
14.8° für den Herbst, endlich 3,9° für den Winter, bei 124 Regentagen mit
32.5 Zoll engl. Regenfall. Man vergleicht - allerdings nur dem Thermometer nach
- den Sommer Shanghais mit jenem von Rom, den Winter mit jenem von London.